Andreas Hofer Bund e.V.
© Andreas Hofer Bund e.V. 2015
Brixen
Gedenkrede zur Feier für Peter Mayr Wirt an der Mahr von Ehrenmajor Dr. Bruno Hosp
Der Todestag Andreas Hofers und Peter Mayrs ist für uns Tiroler jedes Jahr ein Tag des G e d e n k e n s an die
mutigen Männer und Frauen im Tiroler Volksaufstand von 1809, an die Gefallenen der beiden Weltkriege sowie
auch an all jene, die erst in den jüngst vergangenen Jahrzehnten ( insbesondere als Freiheitskämpfer in den
60er-Jahren) ihr Leben für die Heimat geopfert haben.
Wir lassen aber auch Besinnung zu an diesem Tag, indem wir über den eigentlichen Anlass des Gedenkens
hinausdenken. Dabei haben wir es relativ leicht mit dem Jahr 1809, denn die Opfer des Tiroler Aufstandes
kämpften für die alten Freiheiten und für die religiös-sittlichen Werte ihrer Heimat. Sie hatten also das
Rechtsempfinden der Zeitgenossen in vielen anderen Ländern Europas auf ihrer Seite und erst recht die
Bewunderung der Nachkommen.
Dessen erste Meriten als heldenmütiger erst dreißigjähriger Anführer der Rittner Schützen am 3.April 1797: eine starke französische
Einheit am Grumereck bei Oberbozen geschlagen. Bauernkonvent vom 25.November 1807, Bergisel-Schlachten 1809. Mitte Oktober:
Frieden von Schönbrunn. Weitere Kampfhandlungen und entsetzliche feindliche Racheakte gegen Hab und Gut sowie gegen die
Anführer des Tiroler Freiheitskampfes. Peter Mayr ein Held der Gewissenspflicht und der Wahrheitstreue).
In diesem Jahr gedenken wir des katastrophalen Ausgangs des Ersten Weltkrieges, der in den Geschichtsbüchern zu Recht als die
„Urkatastrophe des 20.Jahrhunderts“ bezeichnet wird. Vor 100 Jahren tobte dieser schreckliche Krieg bereits seit über dreieinhalb
Jahren. Im ersten Kriegsjahr spielte sich dieses mörderische Völkerringen noch fern von unserer Tiroler Heimat ab, wenn auch - schon
innerhalb dieser wenigen Monate - bereits Tausende Tiroler Soldaten auf den Schlachtfeldern Galiziens und des Balkan in diesem
ebenso sinn- wie aussichtslosen Krieg ihr junges Leben hatten opfern müssen.
Als aber dann Italien, obwohl als Dreibundpartner mit dem Kaiserreich Österreich-Ungarn verbündet, am 25.Mai 1915 Österreich-
Ungarn den Krieg erklärte, wurde unsere Heimat praktisch über Nacht und bis November 1918 unmittelbares Kriegs- und Frontgebiet.
Für diese Kehrtwende hatte Italien einen Monat vorher im sogenannten Londoner Geheimvertrag als Judaslohn die Brennergrenze
zugesagt bekommen. Dieser ungeheure Treuebruch Italiens, für den es bis dahin kein vergleichbares Beispiel in der Geschichte gab,
war auch ein Affront gegen die traditionelle Tiroler Wehrhaftigkeit. Da es nun tatsächlich um den eigenen Heimatboden ging, war
dieser Krieg unseren Landsleuten auch leichter zu vermitteln als etwa das sinnlose Kriegsgemetzel im fernen Galizien. Da aber dort
und in weiteren weit abgelegenen Frontgebieten zu diesem Zeitpunkt höchster feindlicher Bedrängnis bereits an die 85.000 Tiroler
Soldaten (Kaiserjäger u. Landesschützen) im Einsatz standen, mussten in aller Eile die Standschützen (also unsere Schützen)
mobilisiert werden. Dieses „letzte Aufgebot“ umfasste 50 Bataillone mit einem Gefechtsstand von 35.000 Mann unter 18 und über 42
Lebensjahren. Viele Standschützen mussten damals sogar mit ihrem eigenen „Stutzen“ ausrücken oder wurden mit den uralten,
einschüssigen Werndl-Gewehren ausgerüstet. Aber, und darüber kann man über die k.u.k. Heeresführung nur den Kopf schütteln, sogar
an Uniformen und Schuhwerk mangelte es, sodass viele Schützen in ihrer Zivilkleidung an die Gebirgsfront gegen Italien gebracht
wurden. Die Standschützen, unterstützt alsbald vom „Deutschen Alpenkorps“ und später auch von den aus anderen Frontgebieten
abgezogenen Kaiserjägern und anderen Tiroler Einheiten, führten nun jenen legendär gewordenen dreieinhalb Jahre währenden
Kampf in Fels und Eis. Bei diesem zermürbenden Stellungskrieg galt es nicht nur, dem ausrüstungs- und zahlenmäßig weit überlegenen
italienischen Feind zu trotzen, sondern auch gegen Kälte, Lawinen, Steinschlag, Hunger und allerlei Krankheiten anzukämpfen.
Und zu Hause mussten die Frauen mit ihren Kindern nicht minder gegen Not, Hunger und Kriegsseuchen ankämpfen, also an der
„Heimatfront“ Unsagbares leisten, um mit den Gräueln des Krieges fertig zu werden. Auch ihnen schulden wir dieses Gedenken. Auch
vor ihnen verneigen wir uns wie vor unseren gefallenen Soldaten und Heimatverteidigern in gebührender Ehrfurcht.
In den ersten Novembertagen vor 100 Jahren musste Österreich kapitulieren und mit Italien einen Waffenstillstand abschließen. Dieser
wurde in Padua am 3.November 1918, um 15 Uhr, unterzeichnet und sollte 24 Stunden später in Kraft treten. Dabei hat Italien erneut
getrickst: Es nutzte die ungeheuerliche Stümperei der österreichischen Armeeführung, die ihren Soldaten den verhängnisvollen Befehl
zur sofortigen Niederlegung der Waffen gegeben hatte, während die italienischen Truppen in den verbleibenden 24 Stunden bis zum
Inkrafttreten des Waffenstillstands noch an die 360.000 österreichische Soldaten, die sich bereits auf dem Rückzug befanden, ohne
Gegenwehr in die Kriegsgefangenschaft führten.
Es war eine schmerzhafte Ironie des Schicksals, dass unsere Heimat von den Siegermächten dann auch noch an Italien verschachert
wurde, obwohl während des langen Krieges nie auch nur eine Handbreit unseres Heimatbodens von italienischen Truppen erobert
worden war. Fürwahr ein unrühmliches Possenspiel der damals mit Italien alliierten Mächte! So wurde dann am 10.September 1919 in
den Friedensverträgen von Saint Germain die heute noch andauernde Zerreißung Tirols besiegelt, welche unsagbares Leid über unser
Land gebracht hat.
Unsere Eltern und Großeltern haben damals von einem Tag auf den anderen ihre vertraute österreichische Staatsbürgerschaft und
damit auch ein gutes Stück ihrer Identität verloren. Wenn also jetzt jene Südtirolerinnen und Südtiroler, die sich dieser ihrer Herkunft
und Geschichte noch bewusst sind, durch eine großzügige Geste Ösgterreichs einen österreichischen Pass erhalten können (und nicht
müssen!), dann ist das nicht „völkisches Rülpsen“, wie es kürzlich sehr spöttisch und beleidigend ein Südtiroler Filmregisseur in Radio
Ö1 (26.1.2018, ca 13,30 Uhr) bezeichnet hat. Und ich mag mich auch nicht – weil ich diese freundliche Geste Österreichs gut fände -
von Obrigkeiten aus Kirche und Politik zum Unfriedensstifter stempeln lassen.
Im Gedenken an das leidgeprüfte Land Tirol von 1809 und an die Katastrophe des Ersten Weltkrieges sollten wir Heutige uns darauf
besinnen, dass auch unsere Zeit ihre Forderung hat, die Werte, die uns unverzichtbar sind, zu verteidigen. Für uns Tiroler sind das: die
Heimat als unser angestammter Lebensraum, der Väterglauben, unsere Muttersprache, die Werte der Freiheit, der Mitmenschlichkeit
und des Gewissens. Unsere besten Kräfte sind gefordert, diese Werte zu verteidigen. Aber die Gegenwart, so wie sie beschaffen ist,
verlangt gewaltlose Entschiedenheit in diesem Ringen. Die unsagbaren Opfer, an die wir heute erinnern, bedeuten für uns Heutige
somit nicht nur eine Verpflichtung, den politischen Raum unserer Heimat zu halten, sondern darüber hinaus auch die Heimat von
innen, vom Geistigen und Moralischen her, zu halten und zu hegen. Diesem doppelten Anruf sollten wir uns öffnen, um der Heimat und
um der Menschlichkeit willen. Ich glaube, wir alle sollten uns dieser Verpflichtung im besonderem stellen, denn die Idee eines aus
seiner Geschichte geprägten, eigenständigen und werteorientierten, aber weltoffenen Tirol kann für uns alle ein gutes Motiv, eine
sinnvolle Maxime für unser Handeln im Alltag sein. Dabei sollten wir uns nach dem guten Beispiel von Kanonikus Michael Gamper
ausrichten und uns weder von leichtfertigen Versprechungen noch von radikalen Einflüsterungen beirren lassen.
Nur durch wachsamen Zusammenhalt können wir unsere Heimat davor schützen, dass sie durch zunehmende wohlstandsbürgerliche
Meinungslosigkeit, durch private Genügsamkeit und Neid bis zur Unkenntlichkeit verniedlicht und kaputtrationalisiert wird.
Uns weiterhin für die Eigenständigkeit unserer Heimat, für das eine und ganze Tirol, einzusetzen, ist wohl das beste Versprechen, das
wir denen, an die wir heute in Dankbarkeit denken, geben können.
Rede von Ehrenmajor Dr. Bruno Hosp