Andreas Hofer Bund e.V.
© Andreas Hofer Bund e.V. 2015
Meran
Letzter Abschied von einen mutigen Freiheitskämpfer und treuen Freund
Der am 22. Februar 1932 geborene Sepp Mitterhofer vom Unterhasler-Hof in
Meran Obermais hat uns nach kurzer schwerer Krankheit drei Monate vor seinem
90. Geburtstag für immer verlassen.
Er hatte als junger Bursche nach dem Zweiten Weltkrieg die Fortführung der
faschistischen Unterdrückungspolitik durch das angeblich nun demokratische
Italien erleben müssen. Er war dem von Sepp Kerschbaumer gegründeten
„Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) beigetreten und hatte sich an den nicht
gegen Menschen gerichteten demonstrativen Anschlägen beteiligt, welche die
Weltöffentlichkeit auf das Unrecht aufmerksam machten. Seinen Idealismus
bezahlte Sepp Mitterhofer nach der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 mit
Verhaftung und Folter. In einem Brief an Landeshauptmann Dr. Magnago hat
Mitterhofer die erlittene Folter geschildert. Daraus hier nur ein kurzer Auszug:
„Am meisten geschlagen wurde mir ins Gesicht, dass ich so verschwollen wurde,
dass ich später nicht mehr den Mund aufbrachte zum Essen. Die Arme wurden
mir am Rücken hochgerissen, dass ich laut aufschrie vor Schmerz. Einmal musste
ich mich halbnackt ausziehen, dann wurde ich so lange mit Fausthieben
bearbeitet bis ich bewusstlos zusammenbrach.... Öfters musste ich stundenlang vor brennende Scheinwerfer stehen und
hineinschauen bis mir der Schweiß herunter rann und die Augen furchtbar schmerzten. Man zog mich an den Ohren und riss mir Haare
büschelweiße vom Kopf. ... Der Rücken musste glatt an der Mauer angehen, kaum, dass ich mich rührte oder mit den Zehenspitzen
etwas herausrutschte, so schlug mich ein Carabiniere der vor mir stand, mit dem Gewehrkolben auf die Zehen oder auf den Körper.“
Im Mailänder Prozess wurde Sepp Mitterhofer zu 12 Jahren verurteilt, von denen er 8 Jahre im Kerker verbüßen musste. Weder Folter
noch Haft konnten ihn brechen.
Als er entlassen wurde, führte er den Kampf für die Freiheit und Einheit Tirols mit politischen Mitteln weiter. Er übernahm die
Obmannschaft in dem von seinem Kameraden Hans Stieler geführten „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), an dessen Gründung er
zusammen mit anderen ehemaligen politischen Häftlingen beteiligt gewesen war und dessen Ziel die Durchsetzung des
Selbstbestimmungsrechtes für Südtirol ist.
Sepp Mitterhofer war unermüdlich für dieses Ziel tätig. Ihm sind zahlreiche Veröffentlichungen und politische Initiativen zu
verdanken. Unter anderem sprach Sepp Mitterhofer im Österreich-Konvent des Österreichischen Parlamentes über das
Selbstbestimmungsrecht und das Streben nach der Tiroler Landeseinheit.
Es war vor allem auch seinem Einsatz zu verdanken, dass dass 2009 der zum Gedenken an den Freiheitskampf von 1809 in Innsbruck
veranstaltete Landesfestzug gegen den anfänglichen Widerstand der Nordtiroler Landesregierung sondern zu einem mächtigen
Bekenntnis zur Tiroler Landeseinheit unter der Devise „Los von Rom!“ wurde.
Im Jahr 2011 hat Sepp Mitterhofer die Obmannschaft im „Südtiroler Heimatbund“ an mich übergeben und ich habe die Arbeit in
seinem Sinn weitergeführt. Bis zu seiner Erkrankung hat mein Freund Sepp mich dabei tatkräftig unterstützt, so auch auch bei der
Gestaltung der Dokumentarausstellung in Bozen über den Südtiroler Freiheitskampf.
Jetzt hat uns der unermüdliche Kämpfer und treue Freund für immer verlassen. Wir gedenken seiner in Trauer.
Roland Lang - Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)
Zum Tode von Freiheitskämpfer Sepp Mitterhofer
Der Andreas Hofer Bund e.V. Deutschland nimmt in tiefer Trauer Abschied von einem großen
Freund, Patrioten und großen Tiroler.
Bei der Gründung des Andreas Hofer Bund e.V. Deutschland 1979 in München durch Heinz
Ammon leistete er dazu auch seinen Beitrag. Alle im deutschen Exil lebenden
Freiheitskämpfer unterstützte er nach seinem Ermessen und besuchte sie regelmäßig.
Bei unseren Tagungen war er immer ein gern gesehener Gast und Ratgeber.
Bei der Gruppe für die Selbstbestimmung die Mitterhofer leitete und im Waltherhaus in
Bozen monatlich abgehalten wurde, habe ich ihn besser kennengelernt. Es war ein stetiger
Warner der fortschreitenden Italienisierung seiner Heimat Südtirol. Ich habe ihn als
bescheidenen, immer freundlichen und aufopferungsvollen Kämpfer für seine Heimat
erfahren.
Möge er Ruhen in Frieden im Himmel über Tirol und es sei ihm auch im Tode versichert, dass
wir für seine Ziele in seinem Sinne weiterarbeiten werden.
Hermann Robert Unterkircher, Bundesvorsitzender Andreas Hofer Bund e.V. Deutschland
Der Unbeugsame: Zum Tod des Südtiroler Freiheitskämpfers Sepp Mitterhofer
Man nennt sie, die der Volksmund "Bumser" hieß, gemeinhin Aktivisten des BAS
(Befreiungsauschuss Südtirol), mitunter auch Widerstandskämpfer. In den Augen von
Italienern und leider auch von Antifa-Zeitgenossen sowie Italophilen, wie sie nicht selten
auch in ihrer Heimat zu finden sind, waren/sind es – milde ausgedrückt – Attentäter, im
politisch-korrekten italo-römischen Jargon indes Terroristen. Ich hingegen scheue mich
nicht, sie so zu nennen, wie sie sich selbst sahen und von heimatbewussten deutsch-
österreichischen Patrioten als solche erachtet werden – Freiheitskämpfer.
Sepp Mitterhofer, der unlängst im 90. Lebensjahr verstorbene Obstbauer vom Unterhasler-
Hof in Meran-Obermais, war deren einer der letzten, die sich einst mit dem legendären
BAS-Gründer Sepp Kerschbaumer, einem Greißler und Kleinbauern aus Frangart,
zusammengetan hatten, um in konspirativen Klein- und Kleinstgruppen daran
mitzuwirken, die Welt(öffentlichkeit) auf die vom "demokratischen" Nachkriegsitalien in
nach wie vor totalitärer Gebärde sowie partiell fortgeltender faschistischer (Un-
)Gesetzlichkeit betriebene Entnationalisierung ihrer Heimat aufmerksam zu machen. Rom
hatte trotz der zwischen seinem Regierungschef Alcide DeGasperi und dem
österreichischen Außenminister Karl Gruber 1946 in Paris vereinbarten Autonomie-
Übereinkunft für das seit dem (Unrechts-)Vertrag von Saint-Germain-en-Laye 1919 Italien
zugesprochene südliche Tirol, dem die Siegermächte sowohl nach dem unglückseligen Ersten Weltkrieg, als auch nach dem
verhängnisvollen zweiten Weltenbrand die Selbstbestimmung verweigert hatten, die unter Mussolini ins Werk gesetzte systematische
Italianisierung des Landes zwischen Brenner und Salurn unablässig fortgeführt. Erbarmungslos ließen die Bozner Statthalter der
italienischen Staatsmacht die angestammte Bevölkerung partiell unterjochen.
Die Aktivisten des BAS verlangten, worauf kein Geringerer als Sepp Mitterhofer in vielen seiner späteren öffentlichen Mahnrufe stets
hinwies, nämlich die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts durch den in einen wesensfremden Staat gezwungenen Tiroler Volksteil.
Sie wandten sich in Wort und ersichtlicher wie vernehmbarer Tat – woran es den meisten seiner Volksvertreter aufgrund
realpolitischer, von Rom bestimmter Fakten und Maßnahmen zwangsläufig, zum Teil aber auch aus einer gewissen Selbstfesselung
mangelte – gegen die römische Verfälschung jenes Gruber-DeGasperi-Abkommens, worin den Südtirolern die Selbstverwaltung ihrer
Angelegenheiten in Form einer statuarisch festgelegten Landesautonomie zugestanden worden war.
Hatten die BAS-Akteure zunächst noch die Hoffnung, dass sich nach der machtvollen Demonstration von 30.000 Südtirolern auf Schloss
Sigmundskron 1957 und mehrmaligen Vorstößen Wiens – so der Intervention des damaligen Außenministers Bruno Kreisky vor den
Vereinten Nationen zugunsten der Südtiroler 1960/61 – die starre Haltung Roms ändern könnte, so sahen sie sich alsbald getäuscht. Die
Geduld wich daher zugunsten der Tat der idealistischen Kämpfer des BAS. Ihr "großer Schlag", das Sprengen von annähernd 40
Strommasten in der sogenannten "Feuernacht" (11. auf 12. Juni 1961) – allein Sepp Mitterhofer und seine Kleingruppe hatten deren
zehn mit Zündern und Sprengstoff "geladen" – wurde nicht nur im weiten Rund um Bozen sowie an Eisack und Etsch, sondern weit
darüber hinaus gehört. Nicht zuletzt dieses Fanal der Verzweiflung gab – wider anderslautende Auffassungen, Deutungen und
geschichtspolitische Interpretationen – den Anstoß für Verhandlungen der beteiligten Konfliktparteien, woraus schließlich das zwischen
1969 und 1972 staatsrechtlich inkraft gesetzte neue Autonomie-Statut hervorging, auf dessen Grundlage die heutige
(gesellschafts)politische Verfasstheit Südtirols ruht.
Bis es soweit war, begleiteten zahlreiche Rückschläge den Verhandlungsprozess zwischen Wien sowie Bozen und Rom. Und die BAS-
Aktivisten durchlitten ein von der italienischen Staatsgewalt legitimiertes Purgatorium, das
wider die Menschenrechte verstieß und eines demokratischen Rechtsstaates gänzlich
unwürdig war. Südtirol wurde in Belagerungszustand versetzt und von Sicherheitskräften
förmlich überzogen, sodass mehr als 20.000 Soldaten, Carabinieri sowie Spezialisten der
Geheimdienste den verhängten Ausnahmezustand zu gewährleisten und jede "feindliche
Regung" zu unterdrücken hatten. 150 Freiheitskämpfer des BAS wurden als "bombardieri"
beziehungsweise "terroristi" inhaftiert, die meisten von Angehörigen einer Spezialeinheit
gefoltert, denen Italiens Innenminister Mario Scelba die "Carta bianca" für ihr barbarisches
Tun erteilte.
Sepp Mitterhofer, der Obstbauer und Vater von vier Kindern aus Meran-Obermais, war unter
den Gefolterten. In einem aus dem Gefängnis geschmuggelten, an Landeshauptmann Silvius
Magnago gerichteten Brief hat er das Unfassbare geschildert, das er erleben musste. Einige
Auszüge: "Im Ganzen musste ich zwei Tage und drei Nächte strammstehen ohne etwas zu
Essen, Trinken und zu Schlafen. […] Mit Fußtritten wurde ich an den Füßen und am Hintern
bearbeitet und auf den Zehen herumgetreten. [….] Am meisten geschlagen wurde mir ins
Gesicht, dass ich so verschwollen wurde, dass ich später nicht mehr den Mund aufbrachte
zum Essen. Die Arme wurden mir am Rücken hochgerissen, dass ich laut aufschrie vor
Schmerz. Einmal musste ich mich halbnackt ausziehen, dann wurde ich so lange mit
Fausthieben bearbeitet bis ich bewusstlos zusammenbrach. […. ] Öfters musste ich stundenlang vor brennende Scheinwerfer stehen
und hineinschauen bis mir der Schweiß herunter rann und die Augen furchtbar schmerzten. Man zog mich an den Ohren und riss mir
Haare büschelweiße vom Kopf. [… ] Der Rücken musste glatt an der Mauer angehen, kaum, dass ich mich rührte oder mit den
Zehenspitzen etwas herausrutschte, so schlug mich ein Carabiniere der vor mir stand, mit dem Gewehrkolben auf die Zehen oder auf
den Körper."
Eine Reaktion von Seiten des Adressaten blieb aus.
Wie anderen BAS-Aktivisten wurde auch Mitterhofer in Mailand der Prozess gemacht. Das Urteil lautete auf zwölf Jahre Gefängnis. Die
Verurteilten wurden auf verschiedene Haftanstalten verteilt. BAS-Gründer Kerschbaumer verstarb während des Strafvollzugs in
Verona. Seine und Mitterhofers Mitstreiter Franz Höfler (aus Lana) und Anton Gostner (aus St. Andrä bei Brixen), Vater von fünf
Kindern, ließen ihr Leben in unmittelbarer Folge von Folter-Torturen in Kasernen von Meran beziehungsweise Brixen und Bozen. Es
erscheint mir eine denkwürdige Koinzidenz – wenn nicht eine metaphysisch-überirdische Fügung – zu sein, dass Sepp Mitterhofer just
in den Stunden verstarb, da man Höflers vor 60 Jahren erlittenen Foltertods in Südtirol gedachte.
Nach sieben Jahren und elf Monaten Gefängnisaufenthalts war Mitterhofer entlassen worden. Folter und Haft hatten ihn ebensowenig
brechen können wie ihn die davongetragenen gesundheitlichen Schäden und lebenslangen Beeinträchtigungen nicht verbitterten. Im
Gegenteil: Er setzte sich erfolgreich für die ehemaligen politischen Häftlinge ein. Mit Beistand namhafter Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens konnte dank unermüdlichen Einsatzes die Löschung der Hypotheken des italienischen Staates, welche auf dem
Besitz ehemaliger politischer Häftlinge lasteten, und deren Wiedererlangung der bürgerlichen Rechte erreicht werden. Sepp
Mitterhofer führte auch unerschütterlich den Kampf für Freiheit und Einheit Tirols mit politischen Mitteln weiter und übernahm den
Vorsitz im Südtiroler Heimatbund (SHB), an dessen Gründung er zusammen mit anderen ehemaligen politischen Häftlingen beteiligt
gewesen war.
Ziel des SHB ist "die Durchsetzung des seit 1919 verwehrten Selbstbestimmungsrechts, das die Entscheidung über die
Wiedervereinigung des geteilten Tirol bis zur Salurner Klause zum Gegenstand hat. Die angestrebte Wiedervereinigung soll entweder
durch einen einzigen Volksentscheid oder durch schrittweisen Vollzug verwirklicht werden." Der "politische Arm" des SHB, die
oppositionelle Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT, deren Mitgründer er war, vertritt dieses Ziel im Südtiroler Landtag und in allen
öffentlichen Auftritten gemäß Sepp Mitterhofers Credo, wonach "Süd-Tirol nicht Italien" ist und dass allein das ursprüngliche Ziel
"Los von Rom" das 1919 gesetzte historische Unrecht auslöschen könne.
Diesem großen Sohn Tirols ist weder von den Institutionen der beiden Landesteile in Bozen und Innsbruck, noch von denen Österreichs,
dessen politische Repräsentanten in Sonntagsreden Südtirol stets "eine Herzensangelegenheit" nennen, jemals eine formelle
Würdigung für seinen heimattreuen Lebenseinsatz zuteil geworden. Auch blieb ihm – aus politischer Rückgratlosigkeit und weil das
meist "ausgezeichnet" genannte österreichisch-italienische Verhältnis nicht getrübt werden sollte – ein offizieller Ehrerweis versagt.
Dies nenne ich eine erbärmliche Schande.
Univ. Prof. DDr. Reinhard Olt