© Andreas Hofer Bund e.V. 2015
Gastbeitrag von Prof. Dr.Dr. Reinhard Olt
Einheitsfreude und Trennungsschmerz
Zwiespältige Erinnerung an die Wiedervereinigung Deutschlands, das Trianon-Trauma Ungarns, den Erhalt der
Landeseinheit Kärntens sowie die Annexion des südlichen Tirol durch Italien
Der Oktober 2020 zwingt zur Vergewisserung bedeutender Ereignisse, die auf das
engste miteinander korrespondieren. Wenngleich nicht auf den ersten Blick zu
erkennen, so besteht zwischen der Erinnerung an 30 Jahre Vereinigung der beiden
deutschen Rumpfstaaten BRD und DDR, an 100 Jahre Kelsen-Verfassung für
Österreich, an 100 Jahre Volksabstimmung in Kärnten, an die territoriale
Kastration Ungarns sowie an die formelle Annexion des südlichen Teils des
einstigen Kronlandes Tirol durch Italien eine - wenn auch kontrastive, so doch -
innere Verbindung.
Die Wiedervereinigung Deutschlands war die glückliche Antwort auf die seit 1945
stets im politischen Raum stehende „Deutsche Frage“. Möglich wurde die deutsche
Einheit durch Erosion und Auflösung des Ostblocks zufolge der Implosion des
sowjetkommunistisch-moskowitischen sowie des titoistisch-
balkankommunistischen Herrschaftssystems und der zwischen Usedom
(Mecklenburg-Vorpommern) und Eichsfeld (Thüringen) raumgreifenden
„Abstimmung mit den Füßen“
Die von dem bedeutenden Völker- und Staatsrechtler Hans Kelsen entworfene
Bundesverfassung, auf die Österreich(er) zurecht stolz ist (sind), manifestierte die
Ablösung des über Jahrhunderte bestimmenden monarchischen
Herrschaftsprinzips durch den republikanisch-demokratischen Rechtsstaat. Sie
markiert(e) damit aber auch die Reduktion des einstigen Staatsgebiets infolge der
für die Verlierer des Ersten Weltkriegs in den 1919/1920 unterzeichneten Pariser
„Vorortverträgen“ von den Siegermächten, insbesondere von Frankreich, „friedensvertraglich“ diktierten territorialen und
materiellen Verluste.
Kärnten, wo die Siegermächte auf amerikanischen Druck hin am 10. Oktober 1920 eine Volksabstimmung erlaubt hatten, entging
– maßgeblich zufolge des mehrheitlichen Votums der slowenischen Minderheit Südkärntens für Verbleib bei Österreich – der vom
jugoslawischen SHS-Staat (Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) verlangten Landesteilung. Ohne Volksabstimmung
wurden hingegen per Vertrag von Saint-Germain-en-Laye (1919) das Mießtal dem SHS-Staat sowie das Kanaltal Italien
übereignet.
Die Teilung Tirols
Von dem, was nach kriegsbedingter Auflösung des vormaligen österreichisch-ungarischen Imperiums durch die Herausbildung
neuer Nationalstaaten an territorialer Substanz für die zunächst an ihrer Existenzfähigkeit zweifelnde Republik (Deutsch-
)Österreich verblieb, war die erzwungene Abtretung Südtirols (mitsamt Welschtirol/Trentino) an Italien zweifellos das für das
kollektive Bewusstsein der ohnedies notleidenden Bevölkerung einschneidendste Ereignis. Das Zerreißen Tirols, die formelle
Annexion des südlichen Landesteils am 10. Oktober 1920, kontrapunktorisch und deklarativ just am Tag der Kärntner
Volksabstimmung vollzogen, ist und bleibt, wie der in nämlichem Jahr am 4. Juni im Friedensdiktat von Trianon bestimmte
Verlust Ungarns von zwei Dritteln (sic!) des Territoriums, eine Wunde, die nicht verheilen kann – denn damit sind nicht nur
Menschen- und Selbstbestimmungsrechte verletzt worden, sondern Völker und Seelen.
„Bella Italia“, das von alters her die Sehnsüchte sonnenhungriger nördlicher Hemisphärenbewohner beflügelnde „Land, wo die
Zitronen blühen“ (Goethe), muss sich all seinen heutigen beschönigenden und begütigenden politischen Parolen zum Trotz
gefallen lassen, nicht allein von historisch bewussten Betrachtern der „Südtirol-Causa“ als hinterhältiger, sich verstellender
politischer Akteur eingestuft zu werden. Schon Bismarck ließ mit seiner Bemerkung nach der quasi parallel vollzogenen Einigung
Italiens, die ja erst mit der „Presa di Roma", der Einnahme der Ewigen Stadt 1870, vollendet war, und der maßgeblich von ihm
herbeigeführten Reichsgründung 1870/71 aufhorchen, im Gegensatz zum „satten“ (saturierten) preußisch-deutschen Kaiserreich
sei das sardinisch-toskanisch-sizilianische Königreich Italien ein „hungriger“ Staat. „Italien hat einen großen Appetit, aber sehr
schlechte Zähne", bemerkte der Reichskanzler über seinen damaligen Verbündeten.
„Großer Appetit, schlechte Zähne“
Vielfach lieferte Italien hernach Beweise für Bismarcks abfälliges Diktum. Um seinen nationalromantisch verbrämten, quasi der
Idee des „Imperium Romanum“ verschriebenen und von „sacro egoismo“ („heiligem Eigennutz“) getriebenen „Hunger“ nach
territorialer Ausweitung am adriatischen Gegenufer, in Nord(ost)afrika sowie nicht zuletzt entlang der alpinen Wasserscheide zu
stillen und stets zielgerichtet auf „Siegesspur“ und Sieger-Seite zu sein, wechselte es nach Belieben die Fronten.
Südtirol war das kontinentale „Tortenstück“ dieses dem Macht- und Landhunger geschuldeten Seitenwechsels von 1915. Das
Gebiet zwischen dem heutigen Salurn und dem Brenner-Pass rundete das Risorgimento-Begehr Welschtirol / Trentino, zuvor
Bestandteil Gesamttirols, nach Norden hin bis zur stets von den italienischen Nationalisten eingeforderten Grenzziehung an der
Wasserscheide ab. Dafür hatte die Königlich Geographische Gesellschaft das geophysikalische Rüstzeug geliefert, der auch jener
Deutschenhasser Ettore Tolomei angehörte, der mit der von faschistischen Gewalttaten auch in Bozen begleiteten
Machtübernahme ab 1922 Mussolini als Entnationalisierungsfanatiker im südlichen Tirol (kultur)geschichtsfälschend dienstbar
war.
Nichts von dem, was der einstige Ministerpräsident Luigi Luzzatti nach der Unterzeichnung des Friedensdiktats von St.Germain
(10. September 1919) im römischen Parlament sagte – „Es muß eine Ehrenpflicht für die Regierung und für das Parlament sein,
den Deutschen, die nur wegen der absoluten Notwendigkeit, unsere Grenzen verteidigen zu können, angegliedert wurden, ihre
autonomen Einrichtungen zu bewilligen“ – wurde zugestanden. Im Gegenteil: selbst die trientinischen (Welsch-)Tiroler
Reichsratsabgeordneten Enrico Conci und Alcide DeGasperi – er sollte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als den
Südtirolern wiederum die Selbstbestimmung verweigert wurde, abermals eine verhängnisvolle Rolle spielen – schlugen Töne an,
welche sich nicht im geringsten von jenen der Schwarzhemden unterschieden. So schrieb DeGasperi in einem Artikel unter dem
Titel „Tirolo addio“, der am 4.12.1918 in der von ihm herausgegebenen Zeitung „Il Nuovo Trentino“ erschien: „Tiroler, euer
Leben war unser Tod, nun wird unser Leben euer Tod sein."
Der faschistische Furor
Mit dem ersten von faschistischen Schlägertrupps am 24. April 1921 in Bozen Getöteten, dem Marlinger Lehrer Franz Innerhofer,
nahm die Knechtschaft der Südtiroler ihren Lauf. Benachteiligung, Erniedrigung, Drohungen, Gewalt, Folter, Mord waren
sozusagen an der Tagesordnung. Geschichtsfälschungen und die Italianisierung von Vor- und Familiennamen (bis hin zu jenen auf
Grabsteinen) sowie von Orts- und Flurnamen, Verbot öffentlichen Gebrauchs der deutschen Sprache, verbunden mit der
massenhaften Ansiedlung von ethnischen Italienern in den eigens aus dem Boden gestampften Industrie- und Gewerbezonen, mit
der Zerschlagung von Vereinen und Verbänden mittels Verbots sowie der Installation rein italienischer Strukturen, dem Ersatz
gewählter Ortsvorsteher durch faschistische Amtsbürgermeister, dem Austausch des für Sicherheit und Ordnung zuständigen
Personals sowie der Kujonierung von Medien und Kultureinrichtungen, schließlich der Errichtung des unsäglichen
„Siegesdenkmals“ und vielem mehr hatten zum Ziel, den südlichen Teil Tirols in eine rein italienische Provinz zu verwandeln.
Am rigorosesten wütete der faschistische Umerziehungsfuror an den Schulen. In einer höchst ansprechenden, sachkundigen
Dokumentation, die der Verein Südtiroler Geschichte zusammenstellte und soeben im effekt!-Verlag (Neumarkt/Etsch) erschien
(http://effekt-shop.it/shop/buecher/die-deutschen-brauchen-keine-schulen/ ) ist luzide veranschaulicht, was unter der bereits
ein Jahr nach der Einverleibung Südtirols in den italienischen Staatsverband vom damaligen italienischen Vizepräfekten der
Provinz Bozen, Giuseppe Bolis, getätigten Aussage zu verstehen gewesenen Richtlinie des faschistischen Erziehungswesens
gemeint war: „Die Deutschen brauchen keine Schulen, und wir brauchen auch keine Deutschen“.
Als sich alle kolonialistischen Zwangsmaßnahmen, die Bevölkerung des „Hochetsch“ („Alto Adige“, gemäß damals verordneter,
alleingültiger Benennung) zu assimilieren, als fruchtlos erwiesen, zwangen die „Achsenpartner“ Mussolini und Hitler
die Südtiroler in einem perfiden Optionsabkommen, sich entweder für das Deutsche Reich zu entscheiden und über den Brenner
zu gehen oder bei Verbleib in ihrer Heimat schutzlos der gänzlichen Italianità anheim zu fallen. Obschon die meisten für
Deutschland optierten, verhinderte der Zweite Weltkrieg die kollektive Umsiedlung. 1946 lehnten die Alliierten die Forderung
nach einer Volksabstimmung in Südtirol ab, woraufhin sich in Paris die Außenminister Österreichs und Italiens auf eine
Übereinkunft zugunsten der Südtiroler verständigten, die Bestandteil des Friedensvertrags mit Italien wurde.
Das Gruber-DeGasperi-Abkommen vom 5. September 1946 sah die politische Selbstverwaltung vor, und im Kulturellen wurden
muttersprachlicher Unterricht sowie die Gleichstellung der deutschen mit der italienischen Sprache auf allen Feldern des
gesellschaftlichen Lebens garantiert. In Südtirol selbst taten italienische Partisanen und Insurgenten alles, um das Gebiet, das
nach der Absetzung Mussolinis 1943 als faktisch unter der Suprematie des Obersten Kommissars der „Operationszone
Alpenvorland“ und Gauleiter von Vorarlberg-Tirol Franz Hofer stand, quasi der „Riconquista italiana“ den Weg zu bereiten. Der
Publizist Helmut Golowitsch hat soeben minutiös dokumentiert, wie diese Insurgenten im Zusammenwirken mit
weiterbestehenden Behörden und Carabinieri der Repubblica di Salò, dem verbliebenen Refugium Mussolinis unter militärischer
Protektion von Wehrmacht und SS, alles daransetzten, die Südtirol-Frage auf ihre Art und Weise ein für allemal zugunsten des
Umfallers und Kriegsgewinnlers Italien zu lösen. Viele der Übergriffe¬ geschahen unter der Verschwiegenheit der neuen
politischen Oberschicht Südtirols sowie der Alliierten. (Helmut Golowitsch: „Repression. Wie Südtirol 1945/46 wieder unter
das Joch gezwungen wurde“, Neumarkt/Etsch, Effekt! Verlag 2020, ISBN-9788897053682)
Der Trick des Trientiners De Gasperi
Zwar erließ Rom dann 1948 das vorgesehene Autonomie-Statut und deklarierte es – wie zwischen Vertragspartnern und
Siegermächten verabredet – zum Bestandteil der italienischen Verfassung. Allerdings wurde die Provinz Bozen-Südtirol mit der
Nachbarprovinz Trient in einer Region („Trentino - Alto Adige“) zusammengefasst. Dieser Trick des verschlagenen Trientiners
DeGasperi führte die Majorisierung der deutschen und der ladinischen Volksgruppe durch die italienische herbei, die im Trentino
absolut dominant war.
Dagegen und gegen die vom „demokratischen Italien“ ungebrochen fortgeführte Ansiedlung weiterer Italiener in ihrer Heimat
protestierten die Südtiroler 1957 unter der Parole „Los von Trient". Mit Anschlägen auf „Volkswohnbauten“ und andere
italienische Einrichtungen machte der „Befreiungsausschuss Südtirol" (BAS) die Welt auf die verweigerte Selbstbestimmung und
die uneingelösten vertraglichen Zusicherungen Roms aufmerksam. 1960 trug der damalige österreichische Außenminister Bruno
Kreisky den Konflikt vor die Vereinten Nationen, und da Italien trotz zweier UN-Resolutionen nicht einlenkte, erreichten die
Anschläge im Sommer 1961 ihren Höhepunkt. Rom verlegte 22.000 Soldaten sowie Carabinieri in den Norden und stellte das Land
unter Ausnahmerecht mit all den damit verbundenen rigorosen Gewaltmaßnahmen gegen die Bevölkerung, insbesondere das
Foltern von inhaftierten BAS-Aktivisten. Südtirol rückte infolgedessen auch international in den Mittelpunkt des Weltgeschehens,
woran sich heute außer der Erlebnisgeneration und Historikern kaum noch jemand erinnert.
„Paket“ und zweites Autonomiestatut
Nach unzähligen zähen Verhandlungsrunden zwischen Wien und Rom im Beisein von Vertretern beider Tirol einigte man sich auf
die Entschärfung des Konflikts, indem man 137 Einzelmaßnahmen an einen „Operationskalender" band – also an eine zeitlichen
Vorgabe für die Umsetzung – und in einer sogenannten „Paket-Lösung" verschnürte. Bevor diese am 20. Januar 1972 als „Zweites
Autonomiestatut" in Kraft treten konnte, musste ihm die Südtiroler Volkspartei (SVP), die seit 1945 maßgebliche politische Kraft
im Bozner Landhaus, zustimmen. Auf der SVP-„Landesversammlung“ in der Kurstadt Meran kam 1969 eine knappe Mehrheit dafür
zustande.
Es sollte weitere zwanzig Jahre und ungezählter Verhandlungen im Reigen stets wechselnder italienischer Regierungen in
Anspruch nehmen, die wesentlichen Bestimmungen über die Selbstverwaltung umzusetzen sowie die annähernde Gleichstellung
der deutschen mit der italienischen Sprache im öffentlichen Leben sowie die Stellenbesetzung gemäß ethnischem Proporz zu
verwirklichen. Erst 1992 konnte das „Paket" für erfüllt und am 11. Juni der Südtirol-Konflikt durch Abgabe der
„Streitbeilegungserklärung" vor den Vereinten Nationen formell für beendet erklärt werden. Zuvor hatte der damalige
italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti im römischen Parlament sowie mittels eines Briefes nach Wien die Zusicherung
gegeben, dass Änderungen daran nur mit Zustimmung der Südtiroler vorgenommen werden dürften.
Ohne Perspektive
Letzteres ist seitdem vielfach nicht eingehalten oder im Sinne der von Rom in Anspruch genommenen zentralstaatlichen
„Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis“ (AKB) stark verwässert worden. Die SVP fand sich immer öfter bereit, von Rom
dekretierte Änderungen an Substanz und Charakter des Statuts letztlich in „kompromisslerische“ Reduktionsforme(l)n zu kleiden.
Sie nahm diese Änderungen hin, um den Anschein von „Convivenza/Zusammenleben“ aufrecht zu erhalten sowie die von ihr
ebenso wie von den jeweils in Rom Regierenden verabsolutierte, angeblich „beste Autonomie der Welt“ nach innen außen als
„modellhaft“ anzupreisen. Und nicht zuletzt auch, um möglichst die ihr insbesondere seit den 1980er Jahren zugewachsene
politisch-ökonomische Macht zu erhalten, von deren ökonomisch-finanziellen wie sozialen Pfründen das Gros ihrer in
Gemeinden, Provinz und Region wirkenden Funktionsträger profitiert.
Von der „Autonomie-Partei“ SVP, deren geduldiger, langwieriger, mitunter bis zur Selbstverleugnung reichendes politisches
Wirken für ein erträgliche(re)s Dasein der Südtiroler, zuvorderst für eine prosperierende Wirtschaft und eine geordnete
Verwaltung, die den Zuständen in Italien hohnspricht, nicht gering geschätzt werden soll, ist daher insbesondere unter ihrer
gegenwärtigen Führung nicht zu erwarten, dass sie je an eine Änderung des Status quo auch nur denkt oder gar einen „Plan B“ in
die Schublade legte, um für Eventualitäten gerüstet zu sein. Demgegenüber weisen alle austro-patriotischen Kräfte beidseits
des Alpenhauptkamms und von Vorarlberg bis ins Burgenland völlig zurecht darauf hin, dass in sämtlichen Befunden aus
mehreren demoskopischen Erhebungen der letzten Jahre – sowohl in Südtirol, als auch in Österreich selbst – klar zutage tritt,
dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Befragten stets für die Beseitigung bzw. Überwindung des Teilungszustands
ausgesprochen hat.
„100 Jahre Unrecht machen keinen Tag Recht“
Es kann daher nicht verwundern, dass sich Tiroler im Zusammenhang mit dem deutschen Staatsfeiertag (3. Oktober) zur
Erinnerung an die Wiedervereinigung 1990 die Frage stellen, was „das Bundesland Tirol, die Autonome Provinz Bozen-Südtirol und
die Republik Österreich zur Vereinigung Süd-, Ost- und Nordtirols unternehmen“. Dabei wissen die derart Fragenden von
vornherein, was sie, wenn überhaupt, aus Wien, Innsbruck und Bozen gegebenenfalls zur Antwort erhalten, nämlich dass „die
einst trennenden Grenzen seit dem EU-Beitritt Österreichs nicht mehr wahrnehmbar, ja sogar überwunden“ seien und sich die
„Landeseinheit durch EUropäisierung verwirklichen“ lasse, was institutionell bereits in der „Euregio Tirol Südtirol Trentino“ bzw.
dem „Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit“ (EVTZ) seinen Ausdruck finde. Kollektiverfahrungen im
Zusammenhang mit Grenzschließungen wegen der Abwehr des Flüchtlingszustroms respektive mit Grenzkontrollen aufgrund der
Corona-Pandemie strafen derartige politische Beschönigungen ebenso Lügen wie der Blick auf die unverkennbare
Renationalisierung der Staatengemeinschaft EU, deren Monstrosität, Entscheidungsschwäche und Kraftlosigkeit als
internationaler Akteur.
Vereinigungen wie Schützen (SSB), Heimatbund (SHB) und deutschtiroler Landtagsopposition halten indes daran fest, immer
wieder – und in diesem Gedenk-Herbst umso mehr – das völkerrechtswidrige Zerreißen Tirols und die stete Verweigerung der
Selbstbestimmung ins Gedächtnis zu rufen. Beispielhaft und aller Ehren wert sind in diesem Zusammenhang das
„Kenntlichmachen der Mitte Tirols“ durch einen geweihten Markierungsstein, den der Schützenbezirk Brixen in unmittelbarer
Nähe des Schutzhauses „Latzfonser Kreuz“ im Gebirge auf Gemeindegebiet von Klausen errichtete, sowie die von Trient bis Wien
organisierte Plakataktion des SHB unter der Losung „100 Jahre Unrecht machen keinen Tag Recht“.
*Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Reinhard Olt war 27 Jahre politischer Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) und von 1994 bis 2012 deren
Korrespondent in Wien für Österreich, Ungarn, Slowenien, zeitweise auch für die Slowakei. Daneben nahm er Lehraufträge an deutschen,
österreichischen und ungarischen Hochschulen wahr. Seit 1990 ist er Träger des Tiroler Adler-Ordens, seit 2013 des Großen Adler-Ordens. 1993
erhielt er den Medienpreis des Bundes der Vertriebenen (BdV). 2003 zeichnete ihn der österreichische Bundeskanzler mit dem Leopold-Kunschak-
Preis aus, und der österreichische Bundespräsident verlieh ihm den Professoren-Titel. 2004 wurde er mit dem Otto-von-Habsburg-Journalistenpreis
für Minderheitenschutz und kulturelle Vielfalt geehrt und ihm das Goldene Ehrenzeichen der Steiermark verliehen. 2012 promovierte ihn die
Eötvös-Loránt-Universität in Budapest zum Ehrendoktor (Dr. h.c.), verbunden mit der Ernennung zum Professor, und 2013 verlieh ihm der
österreichische Bundespräsident das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.
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